Fremont

Vorstellung vom
  • Regie: Babak Jalali
  • US 2023
  • 91 Minuten
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Fremont

Donya lebt allein in Fremont, Kalifornien, in einem Gebäude mit anderen afghanischen Einwandererinnen und Einwanderern. Sie kann kaum schlafen, isst oft allein in einem örtlichen Restaurant und schaut regelmässig Soaps. Ihre eintönige Routine fernab der Heimat ändert sich, als sie in ihrem Job in einer Glückskeksfabrik in der Stadt zur Wahrsagerin befördert wird. Während ihre Prophezeihungen von wildfremden Menschen in der ganzen Bay Area gelesen werden, treibt Donyas schwelende Sehnsucht sie dazu, eine eigene Botschaft in die Welt hinauszusenden, ohne zu wissen, wohin sie führen wird.

Werkangaben

Regie
Babak Jalali
Drehbuch
Babak Jalali, Carolina Cavalli
Produktion
Marjaneh Moghimi, Sudnya Shroff, Rachael Fung, Laura Wagner, Chris Martin, George Rush
Kamera
Laura Valladao
Schnitt
Babak Jalali
Musik
Mahmoud Schricker
Besetzung
Anaita Wali Zada (Donya), Hilda Schmelling (Joanna), Jeremy Allen White (Daniel), Avis See-tho (Fan)
Land, Jahr
US 2023
Dauer
91 Minuten
Verleih
Trigon-Film
Altersempfehlung
12

Zitat

[E]in liebevoller und humoristischer Film übers Menschsein. Wie divers die Charaktere auch sein mögen, sie alle vereinen Geschichten von Mut, Entwurzelung, Einsamkeit und Sehnsucht. Durch diese Gemeinsamkeiten weicht das Gefühl des Fremdseins einem gegenseitigen Verständnis und Zugehörigkeitsgefühl.

Yurena Rubido Chaves
Filmbulletin, 19.10.23

Kommentare

Der vierte Film des iranisch-amerikanischen Regisseurs Babak Jalali ist ein lakonisch-langsames Sinnieren über das Alleinsein. Im besten Jim-Jarmusch-Stil der späten 1980er und frühen 1990er Jahre blühen hier immer wieder kleine Momente der Hoffnung auf, die in den ungewöhnlichsten Situationen entstehen. Jalali hat seine Schwarz-Weiss-Bilder im klassischen Seitenverhältnis 4:3 aufgenommen. Sie spiegeln die Melancholie, die Donya empfindet, wenn sie beispielsweise in ihren schlaflosen Nächten von den engen Wänden ihrer Wohnung umschlossen wird. Trotzdem verbirgt sich hinter der unaufdringlichen Erzählweise viel Ironie – etwa in den Sitzungen mit dem Psychiater. Die Newcomerin Anaita Wali Zada kam tatsächlich mit einem der Evakuierungsflugzeuge des US-Militärs aus Afghanistan in die USA. Sie spielt ihre Figur mit einer berührend ehrlichen Mischung aus Verletzlichkeit und Neugierde auf die Welt. Jeremy Allen White (aus der Serie The Bear), der einen Mechaniker spielt, dessen Weg jenen von Zada zufällig kreuzt, reisst dem Publikum dafür mit zwei eindringlichen Szenen unartikulierter Sehnsucht das Herz heraus.

Sarah Stutte
NZZ, 19.10.23

Kommentare

Das Glückskeks-Credo wirkt wie ein Vorbild für die lakonisch balancierende Erzählform des Films. Etwas so Konkretes wie Traumähnliches liegt in den gedehnten, statischen Einstellungen der Kamerafrau Laura Valladoa. Das eigentlich in grellen Farben aufgehende Chinatown von San Francisco verschmilzt im Schwarz-Weiss mit dem unscheinbaren Fremont, in der Wahrnehmung von Donya sind beides ähnlich fremde Orte. Durch den Einsatz des schmalen Bildformats 1,33:1 wiederum wirkt ihre Welt begrenzt, ihre Einsamkeit und Isolation werden akzentuiert. Inspiration für die Bildgestaltung war die klassische Porträtkunst von Fotografinnen und Fotografen wie Antanas Sutkus, Shelby Lee Adams und Graciela Iturbide. Manchmal nehmen sich Donyas Augen eine kleine Freiheit. Sie wandern. Sahen sie eben noch, wie im Spielfilm üblich, knapp an der Kamera vorbei, blicken sie uns jetzt direkt an. Es ist eine Provokation, eine Aufforderung zur Anteilnahme. Der Film verwandelt sich in ein Porträt im unmittelbaren Sinne, das den Rahmen der Fiktion überschreitet. Donyas Blick reflektiert eine grössere Geschichte: die der Frauen, die flüchten konnten, und die derjenigen, die zurückblieben. Fremont geht weit über Fremont hinaus. In der Begegnung mit Donyas/Anaitas Augen liegt plötzlich eine Möglichkeit, die Grenzen der Kinoleinwand zu öffnen. Was trennt uns von dieser Geschichte über Flucht, Heimatverlust und Heimat, wie finden wir uns in ihr wieder, was haben wir mit Donya gemein? Dieser leise und doch eindringliche Film hat das Potenzial, Zweifel an der Wahrnehmung zu säen, Vorurteile zu verwandeln, Empathie zu wecken. Es kehren die Worte des Fabrikchefs zurück ins Gedächtnis. «Bewusst oder unbewusst beeinflussen Glücksbotschaften den Lauf der Dinge.» Nicht auszuschliessen, dass auch das Kino diese Macht hat.

Daniel Nehm
Die Zeit, 14.11.2023

Filmografie

2005
Heydar: An Afghan in Tehran (Kf/cm)
2009
Frontier Blues
2016
Radio Dreams
2018
Land
2023
Fremont

Auszeichnungen

2023
Karlovy Vary International Film Festival: Best Director
2023
Independent Film Festival of Boston: Grand Jury Prize
2023
Sun Valley Film Festival: One in a Million Award
2023
Festival du film Américain de Deauville: Prix du Jury