Rashomon

Vorstellung vom
  • Regie: Akira Kurosawa
  • JP, 1950
  • 88 Minuten
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Rashomon

Während eines Unwetters sucht ein Landstreicher Zuflucht im Rashomon, dem in Trümmern liegenden alten Stadttor von Kyoto, wo er zwei völlig verstörte Fremde antrifft: einen Holzfäller und einen Mönch, die sich auf dem Rückweg von einer Gerichtsverhandlung befinden, zu der sie als Zeugen geladen waren. Der Holzfäller hatte drei Tage zuvor im Wald die Leiche eines Samurai gefunden, dem der Mönch kurz vorher noch begegnet war. Doch ist es weniger das Selbsterlebte, was beide innerlich aufwühlt, als die sich widersprechenden Berichte der Tatzeugen: Einigkeit herrschte zwar darüber, dass ein Bandit den Samurai überwältigt und gefesselt habe, um dessen Frau zu vergewaltigen. Nicht jedoch darin, wie der Samurai zu Tode gekommen ist.

Werkangaben

Regie
Akira Kurosawa
Drehbuch
Akira Kurosawa, Shinobu Hashimoto
Produktion
Minoru Jingo
Kamera
Kazuo Miyagawa
Schnitt
Akira Kurosawa
Musik
Fumio Hayasaka
Besetzung
Toshirō Mifune (Tajōmaru, der Bandit/le bandit), Masayuki Mori (Takehiro Kanazawa, der Samurai/le samouraï), Machiko Kyō (Masago, die Frau/la femme du samouraï), Takashi Shimura (der Holzfäller/le bûcheron), Daisuke Katō (Polizist/le policier), Noriko Honma (Geisterfrau/la médium).
Land, Jahr
JP, 1950
Dauer
88 Minuten
Verleih
Trigon Film

Zitat

Es geht einem mit «Rashomon», wenn man ihn zum ersten Mal oder nach langer Zeit wieder sieht, wie Akira Kurosawas tapferem kleinem Holzfäller: Frohgemut spaziert er in jenen Zauberwald, den der deutsche Verleih so sinnig «Das Lustwäldchen» getauft hat, und blickt dabei in die Sonne, deren Strahlen, von Blättern und Wind hin- und hergeworfen, auf seiner Axt tanzen.

Philipp Bühler
bpb – Bundeszentrale für Politische Bildung, 14.04.2010

Kommentar

Auf verschlungenen Wegen geht es hier also nicht um die Wahrheit einer mittelalterlichen Räuberpistole, sondern um die komplizierte und relative Wirklichkeit des Menschseins. Schon zur Drehzeit nötigte dieses Fehlen der Wahrheit den Meister zu einer Erklärung. Seine drei Regieassistenten konnten mit dem Skript nicht viel anfangen […] «Ihr sagt, dass ihr das Skript nicht versteht», versuchte er es ihnen schonend beizubringen, «doch das liegt daran, dass das menschliche Herz nicht zu verstehen ist.» Diesen Befund, mit dem Kurosawa so unmittelbar alles Streben nach Wahrheit kompromittiert, mögen wir heute als befreiend empfinden. Doch einer der drei Regieassistenten konnte damit nicht leben und musste die Arbeit aufgeben. […]
«Rashomon» war der erste japanische Film, den man einem westlichen Publikum zu zeigen wagte. Die Geschichte dieses einmaligen Kulturtransfers ist heute Legende. Eine italienische Verleihdirektorin in Japan entdeckte für die Filmfestspiele von Venedig einen Film, den die Produzenten kaum ihrem eigenen Publikum zumuten wollten, geschweige denn Ausländern. Akira Kurosawa, noch am Anfang seiner Karriere, hatte sich schon damit abgefunden, sein Lebtag "kalten Reis" zu essen. Dann gewann er den Goldenen Löwen, und «Rashomon» wurde zum ersten untertitelten Film, der es in den USA und Europa zu einigem Erfolg brachte. […]
Seit Kurosawas tollkühnem Experiment hat der Einbruch der "Relativitätstheorie" in den Film naturgemäss viel von seiner Wucht verloren. Kulturanthropologen, Philosophen und Feministinnen würden heute andere Fragen stellen als Holzfäller und Mönch. Doch die Erfahrung menschlicher Subjektivität bleibt eine Lebensaufgabe für jeden. In «Rashomon» erschliesst sie sich aufs Allerverständlichste, weil Kurosawa eben nicht beim Experiment bleibt, sondern es direkt auf das Leben bezieht. Es gibt wenige Filme, die in ähnlichem Masse einen Leitfaden bieten zum täglichen Sehen, Denken und Verstehen der Dinge und Menschen, die uns umgeben. Kurosawa skizziert die Bandbreite der menschlichen Emotionen, die weit über das Bewusstsein hinausreicht und dazu verleitet, dass wir uns selbst belügen. Er stellt die Begriffe Lüge und Wahrheit in Frage, indem er sie miteinander verzahnt. Und er vertritt einen moralischen Standpunkt, indem er den Verlust der Trennung als solchen benennt. Dafür steht der Holzfäller, der nichts versteht und am oft belächelten Schluss ein ausgesetztes Baby mit sich nimmt, um es mit seinen anderen sechs Kindern gross zu ziehen. Dafür steht der Mönch, der an die Menschen glauben will und das Leben ohne diese Geste der Wahrheit als Hölle empfinden würde. Dagegen steht der Landstreicher, der die Wirklichkeit des menschlichen Egoismus auf zynische Weise mit der Wahrheit gleichsetzt: «Ganz recht, das Leben ist eine Hölle. Alle Menschen lügen.» Akira Kurosawa war Landstreicher genug, um sich als "humanistische Heulsuse" zu bezeichnen. Und man selbst? Dass man sein Wäldchen als Holzfäller betrat, ist eine Möglichkeit. Aber doch von allen die unwahrscheinlichste.

Philipp Bühler
bpb – Bundeszentrale für Politische Bildung, 14.04.2010

Auszeichnungen

1951
Venice Film Festival: Golden Lion
1951
Blue Ribbon Awards: Best Screenplay
1951
Mainichi Film Concours: Best Actress (Machiko Kyō)
1951
National Board of Review USA: Best Director, Best Foreign Film
1952
Academy Awards: Honorary Award for «most outstanding foreign language film»

Filmografie

1949
Nora inu (Ein streunender Hund)
1950
Rashomon
1952
Ikiru (Einmal richtig leben)
1954
Shichinin no Samurai (Die sieben Samurai)
1957
Kumonosu-jō (Das Schloss im Spinnenwebwald)
1958
Kakushi Toride no San-Akunin (Die verborgene Festung)
1961
Yōjimbō (Der Leibwächter)
1963
Tengoku to Jigoku (Zwischen Himmel und Hölle)
1975
Dersu Uzala
1980
Kagemusha
1985
Ran
1990
Yume (Träume)

Miracasas

Vorprogramm
  • Regie: Raphaëlle Stolz, Augusto Zanovello
  • CH/FR, 2022
  • 14 Minuten
zum Hauptfilm

Miracasas

In einer behelfsmäßigen Hängematte, getragen von zwei Ganoven, nähert sich Ernesto seinem Ziel: ein verlorenes Dorf, das vor kurzem im tiefsten Südamerika der 1920er Jahre entstanden ist.