Neptune Frost
- Regie: Saul Williams, Anisia Uzeyman
- RW/FR/CA/US, 2022
- 105 Minuten
Neptune Frost
In einer unwirtlichen Bergregion in einem namenlosen Staat in Zentralafrika bildet eine Gruppe geflohener Coltan-Bergarbeiter gemeinsam mit Hacker*innen eine antikolonialistische Widerstandsgruppe. Von ihrem Lager in einer unwirklichen Elektroschrott-Müllhalde aus versuchen sie, das autoritär-diktatorische Regime zu stürzen, das die natürlichen Ressourcen der Region – und ihre Menschen – ausbeutet. Als die transidente Ausreisserin Neptune und der entkommene Coltan-Bergarbeiter Matalosa durch kosmische Kräfte zueinander finden, gelingt es dem Kollektiv, das scheinbar übermächtige System ins Wanken zu bringen…
Werkangaben
- Regie
- Saul Williams, Anisia Uzeyman
- Drehbuch
- Saul Williams
- Produktion
- Ezra Miller, Stephen Hendel, Saul Williams
- Kamera
- Anisia Uzeyman
- Schnitt
- Anisha Acharya
- Musik
- Saul Williams
- Besetzung
- Cheryl Isheja (Neptune), Bertrand Ninteretse (Matalusa), Eliane Umuhire (Memory), Elvis Ngabo (Neptune), Rebecca Mucyo (Elohel), Eric Ngangare (Potolo The Avatar), Natasha Muziramakenga (Binya)
- Land, Jahr
- RW/FR/CA/US, 2022
- Dauer
- 105 Minuten
- Verleih
- Cinemalovers DE
Zitat
Auf einem Elektromüll-Friedhof in Burundi plant ein anarchisches Kollektiv glamouröser Cyber Punk Hacker die Revolution. Der afrofuturistische Musicalfilm zeigt diese phantastische Odyssee, wild und geheimnisvoll – ein bildgewaltiges Feuerwerk von poetisch-bizarrer Sinnlichkeit.
Titel Kulturmagazin, 31.12.2022
Kommentare
Wie kam es zu diesem irren Bilderrausch? Diesem wilden Ritt von soghaft-halluzinatorischer Schönheit? Einem eklektischen Mix unterschiedlichster Stile, Themen und Sprachen – changierend zwischen Dystopie und Utopie, spiritueller und digitaler Welt, Traum und Wirklichkeit, Poesie und Zorn? […] Saul Williams stammt aus New York, mit Wurzeln in Haiti und ist bekannt als Musiker, Rapper, Spoken-Word Poet, Schauspieler und Aktivist. Konzept und Musik für den Film entwickelte er aus seinem fünften Soloalbum »Martyr Loser King« (2016): Ein junger Hacker, der sich in einem armen Land Gedanken macht über eine soziale und politische Revolution, das Bewusstsein hacken und ersetzen will durch eine neue Art des Denkens über das Selbst und die Systeme, denen wir unterworfen sind. Williams schwebte ein Held vor, »wie ein virtueller Banksy, der diese Hacks als Performance Kunst macht. Und seine Beziehung zu Neptune ist wie zum Mutterschiff.« Er sagt, er schleiche sich meist langsam an ein Projekt heran, wie an ein wildes Tier und brauche etwa vier Jahre zur Fertigstellung. David Bowie habe ihn befreit und ihm den Mut gegeben, in seiner Kunst und Musik so queer und schräg zu sein, wie er wollte. […]
Anisia Uzeyman führte Co-Regie und Kamera, sie ist Schauspielerin und Dramatikerin, kommt aus Ruanda und wuchs in Frankreich auf. Man spürt, dass Sie zum Film eine ganz andere Sensibilität beiträgt. Mit 15 ging sie beinahe täglich ins Kino und verliebte sich in die Filme von Godard, Pasolini oder David Cronenberg. Für "Neptune Frost" inspirierte sie die Farbpalette von Wong Kar-Wai […] und die Science-Fiction Seite von Tarkowski. Beide, Uzeyman und Williams, verehren den senegalesischen Filmemacher Djibril Diop Mambéty als einen Meister des afrikanischen Kinos. In ihren weißen Kulturerfahrungen aber fehlten ihnen schwarze Identifikationsfiguren. Das wollten sie ändern, denn schwarze Helden haben nicht nur andere Looks, sondern auch andere Narrative.
Titel Kulturmagazin, 31.12.2022
Inhaltlich sind Grenzen ohnehin dafür da abgebaut zu werden. Zum Symbol dafür ist Titelfigur Neptune, die Männliches und Weibliches vereint. Eine der vielen originellen Ideen, die Williams und Uzeyman hier eingebaut haben: Die Figur wird von zwei Leuten gespielt, Cheryl Isheja und Elvis Ngabo. Wo "The Wild Boys" vor einigen Jahren schon Geschlechtergrenzen aufgelöst hat, da gibt es hier endgültig keine Gewissheiten mehr. Alles ist möglich, in einer alles überschreitenden Utopie. Freiheit bedeutet in "Neptune Frost" nicht nur, dass autoritäre Regimes abgesetzt werden oder man sich von anderweitig unterdrückenden Menschen befreit. Die Freiheit ist größer, universeller, soll als Grenzen des Möglichen nur die Grenzen des Denkbaren haben. Und selbst dabei kann man sich nicht ganz sicher sein.
Das ist ein Fest für Zuschauer und Zuschauerinnen, die sich auf diesen Rausch einlassen und sich davon mitreißen lassen können. Ein ständig die Richtung wechselnder Wirbel aus Farben, Formen und Klängen, aus Zeiten und Orten, bei dem man das Gefühl hat, die Welt noch einmal ganz neu zu erfahren. Gleichzeitig werden viele von diesem Wechselbad überfordert oder auch gelangweilt sein. Der Film[…] ist so fasziniert von den Möglichen, dass Struktur und Kohärenz keine Kriterien mehr waren.
film-rezensionen.de, 24.11.2022
Been There
Wochenendtrips, Städtereisen, ein Abstecher in die Natur oder einmal um die Welt. Noch nie war die Reiselust so verbreitet und die besuchten Orte so überlastet. Was haben wir davon, ausser den Bildbeweis, dass wir dort gewesen sind?