Leto
- Regie: Kirill Serebrennikov
- RU/FR 2018
- 126 Minuten
Leto
Leningrad, Anfang der 80er-Jahre. Mit seiner Punkrockband begeistert der coole Mike nicht nur seine Freundin Natascha. Es ist Sommer, sie sind jung, und alles scheint möglich. Auch Viktor will mit seinen Songs auf die Bühne. Mike nimmt den charismatischen Jungen unter seine Fittiche, an dem auch Natascha Gefallen findet. Vor dem Hintergrund der späten Sowjet-Ära entspinnt sich eine bittersüsse Dreiecksgeschichte, die das Lebensgefühl einer ganzen Generation im Aufbruch transportiert. Noch stehen die Sittenwächter des Regimes im Konzertsaal, doch die Vorboten von Glasnost sind schon nicht mehr zu überhören.
FAWerkangaben
- Regie
- Kirill Serebrennikov
- Drehbuch
- Mikahil Idov, Lili Idova, Ivan Kapitonov, Kirill Serebrennikov, Natalya Naumenko (Memoiren/mémoirs)
- Produktion
- Ilya Stewart, Mikhail Finogenov, Murad Osmann, Charles-Evrard Tchekhoff, Ilya Dzhincharadze, Elizaveta Chalenko
- Kamera
- Vladislav Opelyants
- Schnitt
- Yuriy Karikh
- Musik
- Roman Bilyk
- Besetzung
- Teo Yoo (Viktor Tsoy), Irina Starshenbaum (Natasha), Roman Bilyk (Mike Naumenko)
- Land, Jahr
- RU/FR 2018
- Dauer
- 126 Minuten
- Verleih
- Xenix Filmdistribution
- Altersempfehlung
- 12
Begründung / Zitat
Inniger und gleichzeitig leichter kann man kaum darstellen, was Freundschaft bedeutet. Und welch grosse Rolle es spielt, sich gegenseitig Freiräume zu lassen.
Die Zeit, 11.5.2018
Kommentare
Es ist eine Hommage an eine verlorene Generation: Serebrennikow, der 1969 geboren wurde und heute Protagonist der zeitgenössischen Theater- und Filmavantgarde Russlands ist, hat vor seiner Anklage in Anmerkungen zum Film betont: «Meine Generation hat eine starke Erinnerung an die Energie der Perestroika, diese Zeit unmittelbar nach den Ereignissen in unserem Film. Aber in Wirklichkeit wissen wir nichts von der Generation vor unserer eigenen – von ihrer natürlichen Gabe zur Rebellion und ihrem inneren Feuer.» Und doch fühlt sich Serebrennikow der damaligen Aufbruchsstimmung verbunden: «Ich kann mich leicht mit ihnen identifizieren und ihre Motivationen und Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellten, nachvollziehen. Auch wir beleben eine Kultur, die für die Mächtigen und staatlichen Kulturrichtlinien inakzeptabel ist, in genau derselben Weise, wie Leningrad 1983 weder die Zeit noch der Ort für Rockkultur in der UdSSR war.» Wie inakzeptabel, das beweist der derzeitige Prozess in Moskau nur allzu deutlich.
NZZ, 14.11.2018
Die Sowjetunion war ein Land der Funktionäre. Ganz oben sassen alte Männer mit Pelzkappen in einem Politbüro, weiter unten wurde eine niemals vollständig ausbuchstabierbare Parteilinie auf konkrete Fragen angewendet: Darf man bei einem Rockkonzert tanzen? In Leningrad in den frühen achtziger Jahren selbstverständlich nicht. Rockmusik, zu der getanzt wird, gehört in die Gosse. Zu dem Rock, der in dem Leningrader Kulturclub gespielt wird, sitzen die jungen Menschen in Reih und Glied und applaudieren brav, wenn Mike Naumenko oben auf der Bühne mit einem Bluesriff kurz einmal Dampf macht. (...) Auf ihm lasteten in dieser Zeit kurz vor der Perestrojka und tief im Herbst der Breschnew-Ära gewisse jugendliche Erwartungen: «Lass die Sau raus!», ruft ihm einmal jemand zu. Aber Naumenko lässt die Sau immer nur zwischen den Saiten seiner Gitarre hervorlugen. (…)
Die russischen Behörden, die Kirill Serebrennikow vor einem Jahr während der Dreharbeiten zu Leto in Gewahrsam nahmen, hatten vermutlich keine Ahnung, dass da gerade ein Film im Entstehen war, der auch von der eigentümlichen Doppelzeitlichkeit des Putin-Regimes zu erzählen scheint. Dem international renommierten Theater- und Filmemacher Serebrennikow wurde Unterschlagung und die Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Diebstahl von Subventionen für das Multispartentheaterprojekt «Platforma» vorgeworfen. Er musste Leto unter Hausarrest fertigstellen. (…)
Ohnehin macht Serebrennikow deutlich, dass es ihm nicht um das Leben der Boheme per se geht, sondern um eine sehr spezifische Erkundung von Freiräumen. Die jungen Frauen, die zu Beginn über Leitern und rückseitige Fenster in ein Konzert geschleust werden, sind nicht nur Publikum von «Zoopark», sie sind auch so etwas wie eine Vorhut von Subjektivitäten, mit denen die Funktionäre nichts anfangen können – und zwar die Funktionäre beider Zeitalter, des damaligen wie des heutigen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.11.2018
Auszeichnungen
- 2018
- Cannes Film Festival: Best Soundtrack Award
- 2018
- European Film Awards: Best Production Design
- 2018
- Russian Guild of Film Critics: Best Director, Best Composer, Best Production Designer
- 2019
- Nika Awards: Best Director, Best Film Editing, Best Sound, Discovery of the Year (Roman Bilyk)
Filmografie (Auswahl)
- 2006
- Playing the Victim (Izobrazhaya zhertvu)
- 2008
- Yuri's Day (Yurev den)
- 2012
- Betrayal (Izmena)
- 2016
- The Student ((M)uchenik)
- 2018
- Leto