Lazzaro felice

Vorstellung vom
  • Regie: Alice Rohrwacher
  • IT/CH/FR/DE 2018
  • 130 Minuten
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Lazzaro felice

Lazzaro ist so gutmütig und hilfsbereit, dass er nicht von dieser Welt scheint. Er lebt und arbeitet zusammen mit anderen auf dem isoliert gelegenen Gutshof Inviolata. Dessen skrupellose Besitzerin Marchesa de Luna beherrscht nicht nur alle auf ihrem Hof, sondern auch ihren fantasiebegabten Sohn Tancredi, der eines Tages nach Inviolata kommt. Als dieser Lazzaro um Hilfe bei der Vortäuschung seiner eigenen Entführung bittet, wächst zwischen den beiden jungen Männern eine immer enger werdende Freundschaft. Sie wird die Zeit ebenso überdauern wie die Aufdeckung eines grossen Betrugs, der die Gemeinschaft von Inviolata auseinandersprengt und Lazzaro auf der Suche nach Tancredi in die ferne Stadt führen wird.

DS

Werkangaben

Regie
Alice Rohrwacher
Drehbuch
Alice Rohrwacher
Produktion
Carlo Cresto-Dina, Gregory Gajos, Tiziana Soudani, Michael Weber
Kamera
Hélène Louvart
Schnitt
Nelly Quettier
Musik
Piero Crucitti
Besetzung
Adriano Tardiolo (Lazzaro), Alba Rohrwacher (Antonia), Agnese Graziani (Antonia bambina), Tommaso Ragno (Tancredi), Luca Chikovani (Tancredi giovane), Sergi López (Ultimo), Nicoletta Braschi (Marchesa Alfonsina de Luna)
Land, Jahr
IT/CH/FR/DE 2018
Dauer
130 Minuten
Verleih
Filmcoopi
Altersempfehlung
12

Begründung / Zitat

Ein  wunderbarer Film (...), eine eigenwillige Heiligengeschichte, die aus der Zeit gefallen scheint, aber doch das Herz der Gegenwart trifft.

Philipp Stadelmaier
Süddeutsche Zeitung, 12.9.2018

Kommentare

Die Art und Weise, wie Alice Rohrwacher und die Kamerafrau Hélène Louvart dies auf Super-16-mm-Film bannen, wirkt zugleich zauberhaft und dokumentarisch. Louvart lässt die karge Berglandschaft als unberührtes Paradies erscheinen. Und doch erinnert der erste Teil des Films auch entfernt an Lucchino Viscontis neorealistisches Meisterwerk La terra trema; denn auch hier spielen echte Bäuer_innen die Rollen der arbeitenden Bevölkerung. Rohrwacher schafft es, sie uns als Emsemble so unaufgeregt näherzubringen, dass wir sie sofort ins Herz schliessen. (...)

Rohrwacher ist eine gute Brückenbauerin. Stabile Brücken, die sicher von der einen Seite auf die andere führen, sind nicht nur im Strassenbau elementar, sondern auch im Kino. Rohrwacher braucht denn auch eine feste narrative Verbindung, die die beiden räumlich und zeitlich unterschiedlich verankerten Teile ihres Films zusammenhält, uns auf die andere Seite führt, von wo wir zurückblicken können. Sie konstruiert sie, indem sie Realität und Magie, Sozialkritik und religiöse Mythologie zusammenführt.

Tereza Fischer
Filmbulletin 6/2018

Wunder kommen im Kino, wie in der Bibel, in allen Grössen und Formen vor. Moses teilte das Rote Meer, durch das er die Israeliten aus ihrer Versklavung ins gelobte Land Kanaa führte. (...) In Alice Rohrwachers Lazzaro felice ist das Wasser schon leichter zu durchqueren, knöcheltief plätschert es durch die karge norditalienische Berglandschaft. (...)

Die Wunder in Alice Rohrwachers dritten Spielfilm Lazzaro felice, der in Cannes für das Drehbuch der Regisseurin ausgezeichnet wurde, sind allesamt ein paar Nummern kleiner. Sie speisen sich aus einer überhöhten Wahrnehmung der Welt, für die die Regisseurin ein feines filmisches Sensorium entwickelt hat. Für den Wind zum Beispiel, der in den Bäumen raschelt, obwohl sich die Blätter nicht bewegen. Oder wie die Spreu bei der Erntearbeit im Sonnenlicht tanzt, das eine fast übernatürliche Qualität besitzt. Man sollte schon all seine Sinne schärfen, sich seinen Glauben an das Kino bewahrt haben. Oder eine kindliche Gutmütigkeit, die die Zumutungen der physischen Wirklichkeit suspendiert. (...)

Auch im Gespräch changiert Alice Rohrwacher zwischen ätherischen Beobachtungen und klaren Sätzen, die nie das Geheimnis ihres Kinos preisgeben. «Man kann sich meinen Film rational ansehen», lacht sie. «Aber ich glaube, er macht mehr Spass, wenn man sich ihm einfach hingibt.» Lazzaro ist eine Art Heiligenfigur, entstammt jedoch einer vorreligiösen Epoche. Er vollbringt Wunder nicht durch Handauflegung, sondern durch seine schiere Präsenz. Rohrwacher: «Mein Film handelt nicht von Lazzaros Blick auf die Welt, sondern davon, wie wir Lazzaro sehen.» Der Junge ist kein Revolutionär, doch sein Impuls, Gutes zu tun, hat im System gegenseitiger Ausbeutung etwas bedrohlich Subversives. Rohrwacher nennt ihren Film ein «politisches Manifest», aber man muss diesen Begriff wohl eher im humanistischen Verständnis des Marxisten Pier Paolo Pasolini lesen: als eine märchenhafte Intervention in die gesellschaftliche Ordnung zwischen Religion und (faschistischem) Staat.

Andreas Busche
Der Tagesspiegel, 12.9.2018

Auszeichnungen (Auswahl)

2018
Cannes Film Festival: Meilleur scénario
2018
Chicago International Film Festival: Best Feature
2018
European Film Awards: University Film Award
2011
Corpo celeste
2014
La meraviglie
2018
Lazzaro felice