Jazz on a Summer’s Day
- Regie: Bert Stern
- US 1959
- 85 Minuten
Jazz on a Summer’s Day
Newport 1958, ein Sommertag. Zwei Ereignisse treffen aufeinander: Das Newport Jazz Festival und die Segelregatta America Cup. Mittendrin der Fotograf Bert Stern, weltbekannt durch seine Fotosession «Last Sitting» mit Marilyn Monroe. Wie in seinen Bildern gelingt es Stern auch hier – in impressionistisch anmutenden Momentaufnahmen — die Persönlichkeiten der Porträtierten zu erfassen, seien es die Musikerinnen und Musiker auf der Bühne oder scheinbar willkürlich herausgegriffene Gesichter aus dem Publikum, in denen sich Lebensfreude, Entspannung und Entrückung spiegeln.
Werkangaben
- Regie
- Bert Stern
- Drehbuch
- Bert Stern, Albert D’Annibale, Arnold Perl
- Produktion
- Harvey Kahn, Bert Stern, George Wein
- Kamera
- Courtney Hesfela, Raymond Phelan, Bert Stern
- Schnitt
- Aram Avakian
- Besetzung
- Louis Armstrong, Chuck Berry, Mahalia Jackson, Jimmy Giuffre, Chico Hamilton, Dinah Washington, Thelonious Monk, Anita O’Day, Art Farmer, Danny Barcelona, Terry Gibbs, Max Roach, Mildred Fell
- Land, Jahr
- US 1959
- Dauer
- 85 Minuten
- Verleih
- Trigon
Zitat
«Jazz, Jazz, Jazz:
Die Luft, das Wasser – alles flirrt von Musik,
von Leichtigkeit, von Spontanität, von Freiheit.»
kino-zeit.de, 05.08.2021
Kommentare
Es gibt Abende, da ist ein ganzes Land mit sich im Reinen. Der Fotograf und Filmemacher Bert Stern hat diesen Augenblick 1958 beim Festival in Newport festgehalten. Jazz on a Summer’s Day, der 85-minütige Ertrag jenes unbeschwerten Wochenendes rund um den Unabhängigkeitstag 1958, ist weder ein Werbefilm noch eine Dokumentation – obwohl Elemente von beidem durchaus erkennbar sind. So wechseln sich Konzertmitschnitte der Jazz-Prominenz von Gerry Mulligan über Anita O‘Day bis Louis Armstrong mit inszenierten und teilweise viel später gedrehten Einstellungen ab – lässige Bilder von juvenilem Partyvolk, das auf einem Dach tanzt, oder Aufnahmen einer Dixieland-Band, die ihre Faxen auf einer Kindereisenbahn macht. Jazz on a Summer’s Day will nichts erklären, nichts überhöhen, sondern einfach nur im Moment sein. Es geht um das ungefilterte Porträt eines Lebensgefühls, vielleicht auch einer Utopie.
Diese atmosphärische Dichte, die durch keinen Erzähler gestört wird, ist einer der Gründe, weshalb Sterns Werk unter Eingeweihten einen vergleichbar mythischen Ruf wie seine berühmten Monroe-Bilder geniesst. Für die einen ist Jazz on a Summer’s Day der vielleicht schönste Film, der je über Jazz gemacht wurde. Für andere, wie etwa Magnolia-Regisseur Paul Thomas Anderson, nichts Geringeres als «der Goldstandard des Musik-Films» generell.
Selbst, wenn man mit der Musik nichts anfangen kann, wird man unweigerlich von den Bildern in den Bann geschlagen: Die tanzenden Reflexionen auf der Wasseroberfläche, die sich untermalt von den kontrapunktischen Riffs des Jimmy Guiffre Trios in abstrakte Gemälde verwandeln. Oder der Cellist Nathan Gershman, der nach einer Probe mit dem Chico Hamilton Quintet alleine in einem Hotelzimmer sitzt und mit nacktem Oberkörper Bach spielt wie der desillusionierte Held eines existenzialistischen Krimis. Schliesslich der allmähliche Wandel des Lichts von morgendlicher Unbekümmertheit zu geheimnisvoller Nachtschwärze und den darin schwimmenden Farbtupfern der Kleider und Instrumente.
Die Welt, 03.08.2021
Kurzum: ein reiner Musikgenuss, der dankenswerterweise nicht durch längere Wortbeiträge gestört wird. Nur gelegentlich kommt der damalige MC zu Wort, und Louis Armstrong erzählt vor seinem Auftritt ein paar Anekdoten; sie lohnen sich allein deswegen, weil er den Papst darin einen «fine little fella» nennt. Zudem sehen in den rekonstruierten 35mm-Bildern selbst alle Zuhörer im Publikum so glamourös wie Filmstars aus – ein Triumph des Kinos über YouTube.
Ebenso dank des brillanten Schnitts von Co-Regisseur Aram Avakian, der mit seiner Bildmontage praktisch das Regelwerk für künftige Konzert-Dokus niederlegte. Das gilt gleichfalls für Sterns Kamera. Dieses mitunter sagenhaft sinnlichen Konzerterlebnis löst zwar intensive Festival-Phantomschmerzen aus, aber auf gute Weise.
Kunstundfilm.de, 03.08.2021
Filmografie
- 1959
- Jazz on a Summer’s Day