Et au pire, on se mariera
- Regie: Léa Pool
- CAN/SUI, 2017
- 91 Minuten
Et au pire, on se mariera
Geschickt versteckt Aïcha ihr fragiles Wesen hinter einem losen Mundwerk. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist angespannt, seit diese ihren über alles geliebten Stiefvater Hakim vor die Türe gesetzt hat. Die rotzige Vierzehnjährige fühlt sich von niemandem verstanden – bis sie eines Tages Baz kennenlernt und sich sofort bis über beide Ohren in ihn verliebt. Nur leider ist der sympathische Musiker doppelt so alt wie sie und nimmt sie zu ihrer Verzweiflung eher wie eine kleine Schwester wahr. Aïcha ist zu allem bereit, um Baz davon zu überzeugen, dass sie ein perfektes Paar wären.
Werkangaben
- Regie
- Léa Pool
- Drehbuch
- Sophie Bienvenu, Léa Pool
- Produktion
- Elisa Garbar, Lyse Lafontaine, François Tremblay
- Kamera
- Denis Jutzeler
- Schnitt
- Michel Arcand
- Musik
- Michel Cusson
- Besetzung
- Sophie Nélisse (Aïcha), Jean-Simon Leduc (Baz), Karine Vanasse (Isabelle), Mehdi Djaadi (Hakim)
- Land, Jahr
- CAN/SUI, 2017
- Dauer
- 91 Minuten
- Verleih
- Filmcoopi
Begründung / Zitat
«Et au pire, en se mariera ist heftig. Nicht nur weil Pool sich an ein delikates Thema (...) wagt, sondern weil es ihr in Anbetracht eines Verbrechens in faszinierender Weise gelingt, keine (Vor-)Urteile zu fällen und jede ihrer Figuren glaubhaft und sympathisch erscheinen zu lassen. Ein starker und wichtiger Film.»
cineman.ch, 16.3.2018
Kommentare
«Was als einfache Coming-of-Age Story beginnt, entwickelt sich zur obsessiven Liebe. Durch verschiedene Rückblenden entfaltet sich langsam Aïchas komplexes und fragiles Wesen, was vorerst durch ihre Rotzgöre-Attitüde überdeckt wurde. Die starke Interpretation von Sophie Nélisse lässt den Zuschauer durchgehend mitleiden. Man fühlt sich wie selbst wieder in die Pubertät zurückgeworfen, was ebenfalls von Pools solider Regiearbeit zeugt. Der Film ist eine Achterbahnfahrt, wie man es eben nur in den Teenagerjahren erlebt. In der einen Sekunde scheint die Welt durch eine rosarote Brille zu schimmern, in der anderen fühlt es sich an als ob man den Boden unter den Füssen verliert. Dies wird in Et au pire, on se mariera durch Aïchas obsessive Liebe für Baz, so stark in die Extreme getrieben, dass der Film bis zum Schluss die Spannung aufrecht erhält. Ausserdem schwankt der Zuschauer stets durch verschiedene Versionen der erzählten Begebenheiten, was einerseits Aïchas seelisch-verwirrter Zustand reflektiert aber auch auf narrativer Ebene das Erzähltempo auf Trab hält.»
Maximum Cinema, 17.3.2018
«Léa Pools neuer Film ist ein zwar stilistisch vielleicht allzu konventioneller, aber sehr einfühlsamer Film über das Leben eines Mädchens zwischen Kindheit und Erwachsenenalter, zwischen Traumata und grossen Hoffnungen auf ein anderes, irgendwie wohl normales Leben. Doch gerade darin liegt die Tragik von Aïchas Leben : sie hat keine Hobbys, interessiert sich eigentlich nur für eine Beziehung mit einem Mann und dafür würde sie auch alles aufgeben. Eigentlich ist sie in einem Alter, in dem noch alles offen sein sollte, schliesslich muss sie sich ja noch nicht für eine bestimmte Ausbildung entscheiden. Sie träumt hingegen davon, «pute» nur eines einzigen Mannes zu sein – ihre eigenen Worte sind entlarvend. Sie redet nicht etwa vom Berufsziel Hausfrau, sondern eben wirklich vom Traum, «pute» eines einzigen, sie liebenden Mannes zu sein…
Auch wenn der Film zumindest streckenweise vielleicht etwas altbacken daherkommt: Léa Pool erzählt ihren Stoff spannend, wobei die nichtlineare Erzählweise sowie die zumindest streckenweise unzuverlässige Erzählerin (Aïcha selbst) in eine ganz andere Richtung deutet. Vielleicht ist es sogar geradezu genialisch, dass Léa Pool hier eigentlich ganz andere Erwartungen weckt. Dazu passt auch, dass der Titel auch eigentlich völlig unpassend ist – er entspringt vielleicht nur Aïchas Fantasie. Kurz und gut: Ein starker neuer Film der kanadisch-schweizerischen Regisseurin, die schon seit vielen Jahren immer wieder sehenswerte Werke vorlegt und den Schreibenden dieser Zeilen auch schon seit vielen Jahren begleite.»
Zeitnah Kulturmagazin, 21.3.2018
Filmografie
- 2017
- Et au pire, on se mariera
- 2015
- La passion d’Augustine
- 2010
- La dernière fugue
- 2008
- Maman est chez le coiffeur
- 2001
- Lost and Delirious
- 1999
- Emporte-moi
- 1994
- Mouvements du désir
- 1988
- À corps perdu
- 1986
- Anne Trister
In a Nutshell
Vom Kern zur Bombe, vom Fleisch zur Liebe, vom Weltuntergang zur Gleichgültigkeit. Ein Versuch die Welt zu erfassen, dem Zeitgeist entsprechend, in Form einer materialistisch, hochbeschleunigten Reizüberflutung. Ein Spiel mit der Schönheit und Tragik der Zusammenhänge und Widersprüche des Lebens.