Compartment No. 6
- Regie: Juho Kuosmanen
- FI / RU 2021
- 107 Minuten
Compartment No. 6
Eigentlich sollte es eine gemeinsame Zugreise mit ihrer Geliebten werden, doch schliesslich tritt Laura die Fahrt in den Norden Russlands alleine an. Als sie ihr Schlafabteil zugewiesen bekommt, sitzt dort ein kahl geschorener Minenarbeiter namens Ljoha, der sich mit derben Sprüchen und Wodka als unausstehlicher Nachbar präsentiert. In den kommenden Tagen müssen die ungleichen Passagiere auf engstem Raum miteinander auskommen.
Werkangaben
- Regie
- Juho Kuosmanen
- Drehbuch
- Andris Feldmanis, Livia Ulman, Juho Kuosmanen
- Produktion
- Emilia Haukka, Jussi Rantamäki
- Kamera
- Jani-Petteri Passi
- Schnitt
- Jussi Rautaniemi
- Musik
- Michel Petrossian
- Besetzung
- Seidi Haarla (Laura), Yuriy Borisov (Ljoha), Dinara Drukarova (Irina)
- Land, Jahr
- FI / RU 2021
- Dauer
- 107 Minuten
- Verleih
- Xenix Film
Zitat
« Ein im besten Sinne unkomplizierter Film mit einem grossen Herz,
der sich seine dramaturgischen Zuspitzungen mit einem genauen Blick
für Details aller Art verdient. »
Filmbulletin, 02.03.2022
Kommentare
Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, lernen sich nach Anfangsschwierigkeiten kennen und mögen, über kulturelle, sprachliche und Klassengrenzen hinweg – auf einer Reise, in der sich zu den Klängen von «Voyage, Voyage» einmal mehr der Weg als Ziel entpuppt. Ein Blick auf die erzählerische Oberfläche dieses Films liesse ihm also kaum eine Chance: die Entwicklung zu bekannt, die intendierte Wirkung zu durchschaubar. Umso erstaunlicher, was der finnische Regisseur Juho Kuosmanen in Compartment No. 6 aus dieser Konstellation herausholt.
Gegenüber der Romanvorlage von Rosa Liksom hat Kuosmanen die Story von der ausgehenden Sowjetära in die späten Jelzin-Jahre verlegt. Ort des Geschehens ist das titelgebende Abteil, in einem Zug von Moskau nach Murmansk. Archäologiestudentin Laura will dort prähistorische Felsbilder bewundern, Bergarbeiter Ljoha muss dort in die Minen. […]
Jani-Petteri Passis Handkamera ist den Figuren so nah wie der Film weit entfernt von einem aufdringlichen Realismus. Das liegt auch an den Darsteller:innen. Seidi Haarla vermittelt angenehm beiläufig die allmähliche Erkenntnis ihrer Verlorenheit – und den Durst nach menschlicher Nähe, der die Erzählung vorantreibt. Yuriy Borisov gelingt es mit seinem körperlichen Spiel, zugleich eine bürgerliche Projektion und die komplexe Welt dahinter darzustellen, seine Figur als Bedrohung wie als Rettung erscheinen zu lassen.
Filmbulletin, 02.03.2022
Juho Kuosmanens Compartment No. 6 ist ein Roadmovie über die Kommunikation. Oder besser gesagt: Es ist kein Roadmovie, weil es keine Strassen und keine Richtung gibt, die man frei wählen kann, sondern bloss einen nach Nordosten weisenden Schienenstrang. Und die Kommunikation, diese scheitert von Anfang bis Ende – ausser dann, wenn sie während weniger, aber bedeutsamer Ausnahmen das Medium der wörtlichen Sprache verlässt. So ist Compartment No. 6 ein optimistischer Film über das Scheitern der Sprache und des kulturellen Austauschs […]
Innere und äussere Bewegung kommt dann in den Film, als sich Laura in ihrem Zugabteil einfindet. Bei dem Zug handelt es sich entgegen dem zu erwartenden Klischee nicht um die transsibirische Eisenbahn, sondern um eine vergleichsweise kurze Verbindung in den nicht minder kalten und abgelegenen Norden unweit der finnisch-russischen Grenze. In der Praxis ändert das nicht viel: viel Zeit, grosse Abteile, apathisches Personal und dauerbetrunkene Russen. Der junge Mann in Lauras Abteil hat sich noch kaum hingesetzt, als er schon seine Wodkaflasche auspackt und mit dem Trinken beginnt – nicht ohne der jungen Finnin einen Schluck anzubieten. Bald beginnt ein erster Versuch der Kommunikation, der so durchzogen von russischer Gossensprache und obszönen Bemerkungen ist, dass die Untertitel kaum hinterherkommen – sowohl vom Tempo her als auch semantisch. […] Was den Plot des Films betrifft, lässt sich zusammenfassen, dass Laura von ihrem Abteilgenossen nicht besonders angetan ist.
Die Gegensätze zwischen Laura und Ljocha sind nicht nur sprachlicher, sondern viel schwerwiegender auch soziokultureller Natur. Laura ist eine etwas orientierungslose Studentin; einmal gibt sie sich – vielleicht, weil es stimmt, vielleicht, um lästige Fragen nach ihrem Interesse an den Petroglyphen abzuwehren – als Archäologiestudentin aus. Ljocha ist Minenarbeiter und mindestens kleinkriminell, allerdings mit sprichwörtlichem gutem Herz. Wie jetzt im Verlauf des Filmes und der Zugfahrt über den Polarkreis hinweg der unüberwindlich scheinende kulturelle und sprachliche Graben zwischen den beiden langsam, aber unnachgiebig mit kleinen Momenten des gegenseitigen Verständnisses – also geglückter Kommunikation wider die Umstände – aufgefüllt wird, macht in seiner unerwarteten und durchaus humorvollen Subtilität die grösste Qualität von Compartment No. 6 aus.
Filmexplorer, 10.12.2021
Filmografie
- 2021
- Compartment No. 6 (Hytti nro 6)
- 2016
- The Happiest Day in the Life of Olli Mäki (Hymyilevä mies)
Auszeichnungen
- 2021
- Cannes Film Festival: Grand Prix
All inclusive
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